Kann ich nach einem Unfall die Ermittlungsakte anfordern?

Ermittlungsakte von Polizei erhalten
Wenn es bei einem Verkehrsunfall zu einem Personen– und Sachschaden gekommen ist, wird die Polizei im Regelfall Ermittlungen aufnehmen, wie es zu dem Unfall kommen konnte. Denn neben der Regulierung der Schäden steht in solchen Momenten manchmal auch eine fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) und der Verstoß gegen Regeln der StVO, wie dem Abstandsgebot oder den Vorfahrtsregeln, im Raum. Die Ermittlungsakte hat zwar per se nichts mit Ihrer privaten Schadensregulierung nach einem Unfall zu tun, kann aber trotzdem herangezogen werden, wenn die Verursachung des Unfalls streitig ist.

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Kann ich die Ermittlungsakte von der Polizei anfordern?

Die meisten Verbraucher erfahren erst, dass es eine Ermittlungsakte gibt, wenn die gegnerische Versicherung nach einem Unfall die weitere Regulierung mit der Aussage verweigert, dass man zunächst in die Ermittlungsakte schauen müsse.

Wenn man aber als Geschädigter selber die Ermittlungsakte anfordert, erhält man von der Ermittlungsbehörde (in der Regel die Polizei) die Antwort, dies sei nicht möglich. Diese werde nur an Anwälte herausgegeben.

Der Grund? Rechtsanwälte gelten in Deutschland als Teil der Rechtspflege, Ihnen wird ein erhöhtes Vertrauen von anderen staatlichen Institutionen entgegengebracht. In der Ermittlungsakte sind zumeist die Schriftstücke im Original enthalten. Sollten diese verloren oder beschädigt werden, sind sie als Beweismittel dann nicht mehr brauchbar. Die Ermittlungsbehörde kann nicht überprüfen, ob Sie als Verbraucher vertrauenswürdig und sorgfältig genug sind, die Akte einzusehen.

Polizeilicher Unfallbericht

Wenn die Polizei den Verkehrsunfall aufgenommen hat, so fertigt sie einen sogenannten polizeilichen Unfallbericht an. Diesen polizeilichen Unfallbericht erhalten die Unfallbeteiligten vor Ort. In dem polizeilichen Unfallbericht sind die Kontaktdaten, sowie eine Kurzübersicht des Sachverhalts festgehalten. Zumeist ist in dem polizeilichen Unfallbericht auch festgehalten, welche polizeilichen Maßnahmen nach dem Verkehrsunfall eingeleitet worden sind (Verwarnungsgeld, Ordnungswidrigkeitenverfahren, Ermittlungsverfahren etc.). Der polizeiliche Unfallbericht enthält damit die wichtigsten Informationen, um den Verkehrsunfall regulieren zu können.

Allerdings ist der polizeiliche Unfallbericht, der den Unfallbeteiligten ausgehändigt wird, nicht vollständig! Die Polizei fertigt einen ergänzenden Unfallbericht mit zusätzlichen Informationen beispielsweise zum Wetter zu den Sichtverhältnissen, zur Fahrbahn etc. an, der in der polizeilichen Akte verbleibt und den Beteiligten nicht ausgehändigt wird. Nicht selten notieren Polizisten hierauf wichtige Informationen wie spontan Aussagen der Beteiligten oder eine eigene Einschätzung zum Unfallhergang. Zwar sind viele polizeiliche Unfallberichte fehlerhaft – die Zahlen schwanken von 30-50 % – allerdings sind die Informationen wichtige Grundlage für die weitere Schadenregulierung durch die Versicherungen.

Kann man die Ermittlungsakte gar nicht einsehen?

Abhängig von Ihrer Rolle in dem Ermittlungsverfahren können Sie auch ohne Anwalt Akteneinsicht erhalten.

Wenn Sie Beschuldigter im Strafverfahren sind, kann Ihnen gem. § 147 Abs. 4 StPO Akteneinsicht gewährt werden, wobei Beweisstücke nur unter Aufsicht eingesehen werden können. Wenn Sie jedoch Beschuldigter sind, raten wir Ihnen ausschließlich dazu, sich durch einen Anwalt verteidigen zu lassen und bis dahin keinerlei Angaben zur Sache zu machen.

Wenn Sie als Beschuldigter oder Betroffener Akteneinsicht erhalten wollen, so müssen Sie diese beantragen. Die Akte können Sie, wenn das Verfahren durch die Polizei geführt wird – das ist bei einem Strafverfahren stets der Fall – bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft anfordern. Nur die Staatsanwaltschaft entscheidet jedoch darüber, ob Ihnen die beantragte Akteneinsicht gewährt wird.

Bei einem Bußgeldverfahren bzw. Ordnungswidrigkeitenverfahren entscheidet die zuständige Bußgeldstelle über die Akteneinsicht. Die Anforderung der Akte sollte stets schriftlich erfordern, im besten Fall per Fax oder per Einschreiben, um die Zustellung ihres Schreibens belegen zu können.

In der Betreffzeile sollten Sie unbedingt das Aktenzeichen des Verfahrens angeben, damit ihr Anliegen schnell zugeordnet werden kann. Das Aktenzeichen befindet sich zumeist rechts auf den Schreiben der Polizei, der Staatsanwaltschaft bzw. der Bußgeldstelle.

Der Antrag kann formlos gestellt werden, sie benötigen also kein spezielles Formular und müssen auch keine besonderen inhaltlichen Konkretisierungen vornehmen. Wichtig ist, dass aus Ihrem Schreiben ersichtlich wird, dass sie die Akte einsehen wollen. Formulierungsbeispiel:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

in dem vorbezeichneten Verfahren beantrage ich Akteneinsicht durch Übersendung einer Kopie der Verfahrensakte.“

Die Bescheidung ihres Antrages, also ob sie die Akte zur Einsicht erhalten oder nicht, dauert abhängig von der Behörde zwischen einer und fünf Wochen. Die längste Reaktionszeit hat typischerweise die Staatsanwaltschaft.

Als Betroffener im Ordnungswidrigkeitenverfahren, also beispielsweise bei einem Verkehrsverstoß, gibt es im Unterschied zum Strafverfahren bessere Möglichkeiten für den Betroffenen, die Akte einzusehen. Die Voraussetzungen für die Einsicht in eine Akte des Bußgeldverfahrens sind in § 49 OWiG niedergelegt. § 49 Abs 1 S. 1 OWiG besagt:

Die Verwaltungsbehörde gewährt dem Betroffenen auf Antrag Einsicht in die Akten, soweit der Untersuchungszweck, auch in einem anderen Straf- oder Bußgeldverfahren, nicht gefährdet werden kann und nicht überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter entgegenstehen.

Zunächst müssen Sie also Betroffener sein. Des Weiteren muss ein Antrag gestellt worden sein. Zusätzlich darf weder das Straf- oder Bußgeldverfahren hierdurch gefährdet werden, noch die schützenswerten Interessen Dritter Ihrem Verlangen entgegenstehen. Das Bußgeldverfahren wird bei Verkehrsunfällen so gut wie nie durch eine Einsichtnahme gefährdet. Auch werden nur in Ausnahmefällen die Interesse Dritter Ihre Interessen so überlagern, als dass Sie die Akte nicht einsehen dürften.

Ihnen können dann die Unterlagen gem. § 110c OWiG i.V.m. § 32f StPO digital oder postalisch übermittelt werden. Eine Einsichtnahme vor Ort – wie häufig von Ordnungsbehörden als vermeintlich einzig zulässige Möglickeit angeboten – ist sodann nicht ausreichend. Wichtig ist, dass Sie Ihren Akteneinsichtsantrag insoweit konkretisieren.

Als Geschädigter können Sie ohne Anwalt grundsätzlich keine Akteneinsicht nehmen. Allerdings haben Sie die Möglichkeit, gem. § 475 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 StPO Auskünfte aus den Akten auch als Privatperson zu erhalten, wenn Sie ein berechtigtes Interesse vorweisen können. Hierzu zählt beispielsweise die Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen gegen den Beschuldigten des Ermittlungsverfahrens. Ihnen werden jedoch nur Auskünfte und ggfs. beschränkte Aktenauszüge übermittelt, nicht die gesamte Ermittlungsakte. Für den Verletzten kann also grundsätzlich nur ein Rechtsanwalt die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, einsehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt.

Fazit

Die Einsicht in eine Ermittlungsakte ist zumindest bei Ordnungswidrigkeitsverfahren auch für Privatpersonen möglich, jedoch deutlich aufwändiger als für einen Rechtsanwalt. Hinzukommen zum Teil lange Wartezeiten. Als Geschädigter können Sie im Strafverfahren nur Auskünfte aus der Ermittlungsakte verlangen, wenn Sie hier für ein berechtigtes Interesse nachweisen.

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