Einwilligung der Versicherung für Schmerzensgeld unterzeichnen?

Einwilligung der versicherung

Egal ob Motorradunfall, Autounfall, Fahrradunfall oder Hundebiss: Bei der Abwicklung eines Personenschadens wird die gegnerische Versicherung mit Ihnen Kontakt aufnehmen und Ihnen einige Dokumente zukommen lassen. 

Dabei sollten Sie äußert vorsichtig sein und gut aufpassen, welche Schriftstücke Sie unterzeichnen

Wir erklären Ihnen, warum Sie auf keinen Fall die Einwilligung der Datenverarbeitung und die Schweigepflichtentbindungserklärung der gegnerischen Versicherung unterschreiben sollten

Ärztliche Schweigepflichtentbindungserklärung:

Die ärztliche Schweigepflichtentbindungserklärung berechtigt Dritte dazu, Informationen einzuholen, die andernfalls unter die ärztliche Schweigepflicht fallen. Eine solche Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht dient der Aufklärung über Art und Umfang der erlittenen Verletzungen aus dem Unfall etc. 

Die Notwendigkeit einer solchen Schweigepflichtentbindungserklärung ist nicht restlos unumstritten, da der Versicherung meist bereits schon alle erforderlichen Informationen über die durch den Unfall entstandene Verletzung in Form von Arztberichten und Bescheinigungen über die Arbeitsunfähigkeit (AU) vorliegen, um sowohl die Haftung und Eintrittspflicht umfänglich prüfen zu können. 

In den vielen Fällen sendet Ihnen die gegnerische Versicherung eine vorgegebenes Formular zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht zu und erklärt, dass diese zwingend erforderlich sei, um Schmerzensgeld zahlen zu können. Ohne die Unterzeichnung der vorgegebenen Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht könne man kein Schmerzensgeld zahlen.

ABER VORSICHT: Die von der Versicherung vorgegebene Schweigepflichtentbindungserklärung sollten Sie keinesfalls unterzeichnen. Diese entbindet nämlich Ihre behandelnden Ärzte nicht nur hinsichtlich der Behandlung des Unfalls, für den die Versicherung Schmerzensgeld zu zahlen hat, sondern auch für sämtliche vorangegangenen Behandlungen, die in keinem Zusammenhang mit dem Unfall stehen!

Diese Auskünfte stehen der gegnerischen Versicherung aber gar nicht zu! Erst durch die Unterzeichnung der vorgegebenen Schweigepflichtentbindungserklärung haben Sie der Versicherung die Möglichkeit eröffnet, diese Informationen überhaupt zu erhalten, die andernfalls von der ärztlichen Schweigepflicht geschützt gewesen wären.

Dass die Unterzeichnung der vorformulierten Schweigepflichtentbindungserklärung nicht notwendig ist, wurde im Urteil des OLG Düsseldorf  vom 05.03.2013, Aktenzeichen l-i U 115/12 mit sehr deutlichen Worten festgehalten:

Aus der Tatsache, dass die Klägerin die verlangte Entbindungserklärung verweigert, kann zu ihren Lasten kein prozessualer Nachteil im Sinne einer Beweislastumkehr oder gar eines unterstellten Nachweises der Richtigkeit der Behauptung der [Versicherung] abgeleitet werden. […]

Die Klägerin ist weder aus prozessualen noch aus materiell-rechtlichen Gründen gehalten, den von ihr verlangten Beitrag zu der Vorlage des Verzeichnisses zu leisten, um der [Versicherung] die notwendige Erkenntnisgrundlage für die Vervollständigung und für den Nachweis ihrer Behauptung einer psychischen und physischen Prädisposition für die eingetretenen materiellen und immateriellen Schadensfolgen zu verschaffen.

Die [Versicherung] ist mit aller Deutlichkeit darauf hinzuweisen, dass sie einem grundlegenden Irrtum über Art und Ausmaß der Mitwirkungspflicht der Klägerin an der Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes unterliegt. Sie ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gehalten, der Bekl. die für den angestrebten Prozesssieg benötigten Informationen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

(Hervorhebungen und Einschub durch VINQ)

Damit wurde obergerichtlich festgestellt, dass das Verhalten der Versicherungen „Zahlung nur gegen Schweigepflichtentbindung“ rechtswidrig ist. Im eigenen Interesse – auch für spätere Unfälle – sollten Sie Ihre besonders geschützten Gesundheitsdaten deshalb nicht durch die leichtfertige Unterzeichnung einer vorformulierten Einwilligung in die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht der Versicherung preisgeben!

Warum verlangt die Versicherung die Einwilligung?

Die Versicherung möchte vor allem eins: Geld sparen. Deshalb sucht die Versicherung nach Gründen, um Ihnen Ihr Schmerzensgeld zu kürzen – oder dieses sogar vollständig abzulehnen.. Ihre gesundheitliche Vorgeschichte wird – sofern Sie die Erklärung unterzeichnen – gründlich studiert und im schlechtesten Fall gegen Sie verwendet.

So kann zum Beispiel behauptet werden, dass Schmerzen nicht nur auf den Unfall zurückzuführen sind, sondern im Zusammenhang mit Verletzungen aus der Vergangenheit stehen. 

Vielleicht empfinden Sie diese Behauptung absurd und vorgeschoben, Sie haben mit der Unterzeichnung der vergebenen Einwilligung jedoch die Möglichkeit eröffnet, dass solche Behauptungen erhoben werden können, die Sie nun abwehren müssen.

Für Ihr Schmerzensgeld gelten sogenannte Beweislastregeln. Das bedeutet, dass Sie beweisen müssen, dass der Schädiger Ihnen die Verletzungen zugefügt hat. Der Schädiger muss hingegen beweisen, dass Sie keinen Anspruch auf Schmerzensgeld haben, weil Sie beispielsweise schon Vorerkrankungen haben. Dies ist aber nur dann möglich, wenn Sie Ihre Ärzte von der Schweigepflicht auch hinsichtlich der Vorerkrankungen entbinden. Hierzu sind Sie jedoch – s. Urteil des OLG Düsseldorf – nicht verpflichtet! Verschaffen Sie der Versicherung deshalb nicht diesen ihr nicht zustehenden Vorteil.

Um Kürzungen von Ihrem Schmerzensgeld und den nachteiligen Umgang mit Ihren Gesundheitsdaten zu vermeiden sollten Sie sich merken: Keine Einwilligung in die Schweigepflichtentbindungserklärung der gegnerischen Versicherung!

TIPP: Lesen Sie hier, was Sie tun können, um ein maximal hohes Schmerzensgeld zu erhalten!

Einwilligung der Datenverarbeitung

Die Einwilligung in die Datenverarbeitung berechtigt Dritte zu der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Gesundheitsdaten. Neben der vorgegebenen Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht wird versucht, Ihnen auch eine Einwilligung in die Verarbeitung Ihrer Gesundheitsdaten abzuringen. 
 
Keine Verpflichtung zur Einwilligung
Auch eine solche „verpflichtende“ freiwillige Einwilligung in die Datenverarbeitung ist – wenig überraschend – nicht erforderlich und Sie sollten zur Vermeidung einer ausufernden Verarbeitung Ihrer hochsensiblen Gesundheitsdaten diese Einwilligung ebenfalls nicht unterzeichnen! 
 
Denn auch hinsichtlich der Einwilligung der Datenverarbeitung bestehen keine Mitwirkungspflichten. So hat das Amtsgericht Magdeburg, Urteil vom 16.10.2019, Az. 150 C 1377/18 ausdrücklich festgestellt:
 

„Die [Versicherung] kann sich nicht darauf berufen, der Anspruch sei nicht fällig gewesen, weil sie keinen Anspruch darauf hatte, dass die Geschädigte die Einwilligung zur Speicherung, Nutzung und Erhebung der unfallbedingten Gesundheitsdaten erteilt. Die Beklagte kann sich insoweit nicht auf § 213 VVG berufen. Das Versicherungsvertragsgesetz regelt das Verhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer. Die Vorschrift des § 213 VVG stellt eine speziell für das Versicherungsverhältnis geschaffene Schutznorm dar, die vertragsfremde Dritte nicht betrifft“.

Das LG Essen, Beschluss vom 08.08.2018, Az. 2 O 88/18, führt hierzu aus:

Den Einwendungen der Beklagten, dass sie dem Kläger vorgerichtlich einen weiteren Anspruch verweigert hatte, weil ein solcher mangels Kooperation des Klägers nicht nachprüfbar gewesen sei, und daher gemäß § 93 ZPO kein Anlass zur Klage gegeben war, kann nicht gefolgt werden. Zwar ist es richtig, dass der Kläger zur Mitwirkung der Aufklärung der Unfallfolgen verpflichtet ist. Er ist verpflichtet, die geforderten Belege einzureichen und dem Haftpflichtversicherer eine längere Prüffrist zu gewähren, welche vier bis sechs Wochen nicht unterschreiten sollte (Herget in Zöller, § 93 ZPO Rz. 6 „Haftpflichtversicherung“ m.w.N.).

[…] Dass er die Einwilligung zur Datenweitergabe an Dritte durch die [Versicherung] nicht unterzeichnete, kann nicht zum Nachteil des Klägers gereichen. Eine Prüffähigkeit war durch die eingereichten Unterlagen gegeben. Der Beklagten lagen alle Arztberichte vor, welche auch der Gerichtsakte beiliegen, sowie die Entbindung der Schweigepflicht. Durch den ausgefüllten Fragebogen der Beklagten lagen dieser auch sämtliche Informationen über den streitgegenständlichen Unfall vor. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund die [Versicherung] eine Prüfung der Umstände aufgrund der fehlenden Einwilligung in die Datenweitergabe an Dritte nicht vornehmen konnte. Dass interne, automatisierte Speicherungs-prozesse durch die mangelnde Einwilligungserklärung erschwert werden, ist ein Problem der [Versicherung] und kann dem Kläger nicht angelastet werden. Müsste der Kläger die Einwilligung in die Datenweitergabe an Dritte erteilen, um an seinen Schadensersatzanspruch zu kommen, widerspräche das sämtlichen datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Die Einwilligungserklärung in die Datenweitergabe wäre kaum mehr freiwillig und somit obsolet.

(Hervorhebungen und Einschub durch VINQ)

 

Einwilligung auf Empfehlung des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV)?

Weigert man sich, die Einwilligung zu erteilen, argumentiert die Versicherung, dass das Formular auf der Empfehlung des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) beruhe, um der vermeintlichen Verpflichtung, die Einwilligung doch noch zu erteilen, nachzukommen. 

Vorab: der GDV ist ein Interessenverband der Versicherungswirtschaft und vertritt deshalb auch die legitimen Interessen der Versicherungswirtschaft. Den eigenen Interessenverband zu zitieren, ist deshalb wenig überzeugend. 

Lautet die angesprochene Empfehlung im maßgeblichen Fall anders! In den „Verhaltensregeln für den Umgang mit personenbezogenen Daten durch die deutsche Versicherungswirtschaft“ (Code of Conduct) heißt es unter Artikel 6 Abs. 2 ausdrücklich: 

Die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten auf gesetzlicher Grundlage ist zulässig, insbesondere wenn es zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen erforderlich ist. Das gilt beispielsweise für die Prüfung und Abwicklung der Ansprüche von Versicherten sowie von Geschädigten in der Haftpflichtversicherung.

Genau um diesen Fall handelt es sich bei der Regulierung von Haftpflichtschäden. Insoweit ist der Verweis auf vermeintliche Empfehlungen des GDV nicht widersprüchlich, da der eigene Code of Conduct eine abweichende und DSGVO-konforme Regelung vorgibt.

 

Fazit: Ihr Datenschutz ist wichtig!

Schützen Sie Ihre sensiblen Gesundheitsdaten und lassen Sie sich mit einer Regulierungsverweigerung nich verunsichern. 

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